Ein Kriminalroman, der mich zutiefst verunsichert hat: Der Fall Kallmann

Nach vielen Wochen habe ich nun endlich das neuste Werk Hakan Nessers beendet. Ich habe mich dafür entschieden, es zu lesen, da ich das Thema Tod eines Lehrers spannend finde und ich bisher auch noch nichts von Nesser gelesen hatte – also bot sich die Chance einen weiteren skandinavischen Krimiautor zu entdecken. Doch Nesser ist anders als die anderen, das merkte ich schnell. Als ich einer Buchhändlerin davon erzählte, dass ich gerade dieses Buch lese, sagte sie Nesser sei literarisch, was meinen Eindruck genau auf den Punkt bringt.

Inhalt:

In dem Roman geht es um den Mord an einem sehr eigensinnigen und geheimnisvollen Lehrer, dessen Vergangenheit weitestgehend im Dunkeln liegt. Abschnittweise sind Tagebucheinträge des Opfers aufgeführt, die poetisch und in anspruchsvoller Sprache geschrieben sind. In diesen Beiträgen werden existentielle und philosophische Fragen aufgegriffen, wie beispielsweise „Wer bin ich eigentlich?“ Erzählt wird aus der Perspektive von 4 Personen: Drei Lehrern, Igor, Ludmilla und Leon, und einer Schülerin, Andrea und ihrer Mutter, Ulrika. Am Ende kommt noch eine weitere Person zu Wort. Kallmann kommt durch die Tagebücher zu Wort jedoch nicht in einem eigenen Erzählstrang.

Mein Eindruck:

Die vielen Figuren, deren Innenleben detailreich geschildert wird und deren Familienverhältnisse beschrieben werden, haben mich anfangs irritiert. Ich kam mit den Handlungen durcheinander und gerade, wenn ich mich auf eine Figur eingelassen hatte, war deren Perspektive wieder zu ende. Am Ende des Romans hatte die Verteilung auf viele Personen jedoch den Effekt eines Puzzles, das sich allmählich zusammenfügt.Bis zum Ende bleibt unklar, wie die Figuren zusammenhängen. Die Figur Andrea finde ich leider sehr unauthentisch, da sie auf tiefgreifende Veränderungen in ihrem Leben sehr emotionslos und widersprüchlich reagiert. (Ich kann leider nicht ins Detail gehen, ohne zu spoilern). Am liebsten mochte ich die Figur Leon, der nach einem schlimmen Schicksalschlag neu in die Stadt K. zieht.

Warum ich verunsichert bin:

Ich habe am Anfangs des Buches eine große Euphorie empfunden. Ich freute mich über den teilweise sehr ironischen Schreibstil (Humor fehlt mir oft bei skandinavischen Thrillern), die literarischen Elemente und die Figuren ( trotz anfänglicher Verwirrung). Auch wie der Schulalltag aus verschiedenen Perspektiven beschrieben wird, hat mir sehr gefallen. Nach ca.. 250 Seiten kam jedoch etwas Langatmigkeit auf und auch teilweise Langeweile. Es standen Themen im Vordergrund, deren Zusammenhang zu Haupthandlung, beim besten Willen nicht erkennbar waren und ich fragte mich, weshalb sie mich interessieren sollten. Am Ende wurde alles aufgelöst, doch bis dahin musste der Leser eine Durststrecke hinter sich bringen. Zeitweise fürchtete ich sogar, dass es ein offenes Ende sei, da ich dem Autor alles zutraue. Zum Glück gab es doch eine Auflösung. Am Ende war ich als Leser Ergriffen von den Schicksalen der Figuren, da ich sie so lange begleitet habe. Mein liebster Satz aus dem gesamten Buch lautet:

„Es ist wirklich erstaunlich, welche Allianzen sich schmieden lassen, selbst wenn die Deterministen, die unsere Leben in vorgefertigte Furchen gießen wollen, in diesem Fall reichlich Wasser auf ihre Mühlen bekommen.“ (S.433)

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